Die „Pyramiden von Güimar

 

 

Im Rahmen eines Osterurlaubes auf Teneriffa hatte ich am 7. April 1999 die Gelegenheit die „Pyramiden von Güimar“ im Chaconatal zu besichtigen.

 

Man betritt das Gelände zunächst durch eine moderne Empfangshalle.

Wer jetzt eine Einführung in die Kanarische Geschichte erwartet wird leider enttäuscht. Man findet lediglich ein Modell des Kolumbus - Schiffes „Santa - Maria“ und einige Bilder, die Kolumbus und seine Nachfolger bei der Landung / Eroberung von Amerika zeigen. Nur kurze Erwähnung finden dabei die Kanaren als Zwischenstation von Kolumbus.

Hinter einer Begrenzungsmauer - fast versteckt - kann man bereits eine kleine Pyramide bewundern. Leider wird der größte Teil dieser Pyramide durch diese Begrenzungsmauer verdeckt und an der einzigen frei zugänglichen Stelle wird man durch Absperrseile von einer genauen Erkundung der Pyramide abgehalten. Am Ende eines kleinen Innenhofes erreicht man ein zum Museum umgebautes altes spanisch / kanarisches Bauernhaus (Casa de Chacona). Im Museum sieht man wieder einiges zur schulwissenschaftlichen Geschichte Mittel- und Südamerikas.

 

Außerdem erfährt man, dass die mittelatlantischen Meeresströmungen und die Passatwinde kreisförmig von Mittelamerika, vorbei an den Bahamas und den Azoren nach Afrika und somit auch zu den Kanarischen Inseln und wieder zurück nach Mittelamerika führen. Spekulativ wird der Besucher damit vertraut gemacht, das entlang dieser Strömungen reger Schiffsverkehr, lange vor Kolumbus, stattgefunden haben kann und somit das „Pyramidenwissen“ verbreitet werden konnte.

Als Beweis hierfür wird ein antikes Binsenschiff auf einem Tempelrelief bei Edfu als Bild dargestellt. Es soll auch darstellen, dass im mittleren Orient schon sehr früh in der Antike die Segel - und Schifffahrtstechnik beherrscht wurde. Als zweiter Beweis wird ein Hititer-Binsenschiff auf einem Tempelrelief bei Karatepe in der Türkei gezeigt, dass die Segel und das Segelwerk, wie später von den europäischen Schiffen nachgeahmt, vorweisen kann. Vor bereits 5000 Jahren sollen Binsenbootbauer in Mesopotamien und Ägypten, in Mexiko und Peru gelebt haben. Man erfährt, dass der Bau eines Binsenschiffes denkbar einfach ist. Ein Binsenschiff kann - wie eine Pyramide - beliebig groß gebaut werden, man fügt einfach mehr Baumaterial hinzu.

 

 

Am Museumsausgang erreicht man einen kleinen Platz von dem man endlich einen Überblick des Geländes hat, da dieser Platz etwas oberhalb des eigentlichen Pyramidengeländes liegt und auch höher als die Pyramiden selbst liegt. Man erkennt neben terrassenförmigen Geländestrukturen auch die Pyramiden, die für mich allerdings nur bei flüchtiger Betrachtung wie „echte Pyramiden“ wirkten. Im Gegensatz zu den bekannten Pyramiden Mittelamerikas, sieht man hier den treppenstufenartigen Zugang zum Plateau nicht außen auf der Pyramide, sondern erkennt eine nach innen angelegte Treppe bis zum Pyramidenplateau. Mein Eindruck war, dass man auf diese Weise die einzelnen Steine recht einfach und ohne großen Aufwand übereinander stapeln kann.

 

Der vorgegebene, betonierte Weg führt den Besucher weiter, vorbei an einem aus Schilfrohr gebauten Schiff, in ein „Auditorium“(Kinosaal). Auch im Vorraum des Kinosaales stehen einige kleinere Modelle des draußen stehenden Schilfbootes. Im Saal hat jeder Kinosessel einen eigenen Lautsprecher. Man wählt eine Sprache, in der man den Kommentar zum Film hören möchte. Neben spanisch und den touristischen Hauptsprachen der Kanaren (deutsch und englisch) steht auch norwegisch zur Auswahl.

Man fragt sich jetzt vielleicht noch - warum eigentlich norwegisch?

 

 

Spätestens während der Filmvorführung erkennt man dann den Zusammenhang zwischen den genannten Schilfbooten und dem im Museum spekulativ angedeuteten Schiffsverkehr entlang der mittelatlantischen Strömungen, sowie der angebotenen norwegischen Sprache. Außerdem erfährt man, wer der Eigentümer dieser „Pyramidenanlage“ ist. Der norwegische Forscher Thor Heyderdahl, der bis zu seinem Tode auf Teneriffa gelebt hat - war gemeinsam mit seinem Freund, Frederick Olsen, einem auf den Kanaren bekannten, norwegischen Reeder und Betreiber von Fährschiffen - Eigentümer dieses Areals.

 

Im Film wird dargestellt, dass das Wissen zum Pyramidenbau mit den Schilfbooten über den Atlantik getragen wurde. Als „Beweis“ für diese Annahme zeigt der Film sehr ausführlich den Nachbau dieser Schiffe aus Schilf und berichtet detailliert über die bekannten Expeditionen - Kon Tiki /1947 und Ra II /1970 - Thor Heyderdahls.

Es wird dargelegt, dass die ersten Zivilisationen, die auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans entstanden, eine große Anzahl kultureller Parallelen aufweisen. Dies könnte die Folge eigenständiger Evolution oder transozeanischer Kontakte zwischen diesen frühen Kulturen sein. Abschließend wird der Besucher fairerweise noch auf folgendes hingewiesen:

 

WIR PRÄSENTIEREN KEINE THEORIEN, NUR TATSACHEN JEDER HAT DIE FREIHEIT, SEINE EIGENEN SCHLÜSSE ZU ZIEHEN : “DENKEN SIE ÜBER DIESE RÄTSEL NACH „

 

Am Ausgang des Kinosaales wird man dann noch von einem Nachbau einer „Osterinselstatue“ verabschiedet und so nochmals an die Expeditionen von Herrn Heyderdahl erinnert. Der weitere Weg führt den Besucher entweder zu einer Cafeteria am Ausgang des Areals oder zu einem Rundgang durch das Pyramidengelände.

 

 

Der größtenteils betonierte Weg durch das Gelände führt auch hier niemals ausreichend dicht an eine Pyramide heran, so dass man sich kein detailliertes Bild von den Pyramidenstrukturen machen kann. Das ganze Gelände wirkt eher terrassenförmig und weniger pyramidenförmig angelegt.

 

Am Ende des Rundganges war ich mir nicht sicher, ob diese Pyramiden tatsächlich einige Jahrhunderte / Jahrtausende oder vielleicht nur einige Jahre in Güimar stehen.

Ich wurde den Eindruck nicht los, dass sich Herr Heyderdahl - hier in seiner neuen Wahlheimat - ein Denkmal gesetzt hat.

Ich will damit in keiner Weise die hervorragenden Expeditionen und Theorien von Herrn Heyderdahl verurteilen - hierzu hat sich längst jeder selbst eine Meinung gebildet - aber dieser Eindruck drängte sich mir als „ethnologischen Laien“ einfach auf.

 

So sind auch die meisten dort lebenden  Menschen davon überzeugt, dass die Steinhaufen von den ersten spanischen Bauern bei der Urbarmachung des Landes angelegt und zurückgelassen wurden. Über Generationen hinweg wurde das Land auf dem die Pyramiden stehen von Bauern landwirtschaftlich genutzt, (Stufen der Pyramiden / Terrassen = Trockenplätze für Feigen, Weintrauben und Vorplätze der Pyramiden / Terrassen = Kartoffel- und Weizenacker) und deshalb sind heute noch viele Menschen der Meinung, dass die Pyramiden und ihre Vorplätze die alten Mauern von verlassenen, landwirtschaftlichen Feldern und Trockenplätzen sind.

 

 

Eine ähnliche, terrassenförmige Struktur der Landschaft findet man an vielen Orten auf Teneriffa und auch auf anderen kanarischen Inseln, nicht nur in Güimar. Überall wird gesagt, dass die ersten spanischen Bauern, die auf den Kanaren siedelten und größere Felder anlegen wollten, die herumliegenden Vulkansteine zu Mauern terrassenartig stapelten. So wurden die Steine weggeräumt und hielten außerdem die Erde in der zum Teil hügeligen, von Vulkanen zerfurchten Landschaft.

 

Ob nun die Theorien von Herrn Heyerdahl zutreffen oder die Pyramiden von Güimar vielleicht eine andere Entstehungsgeschichte haben wird sich nicht 100%tig nachweisen lassen.

 

Ich kann aber allen versichern, dass man dennoch einige interessante Stunden erlebt. - Mein damals neunjähriger Sohn Marcel ist jedenfalls seitdem ein Pyramiden- und Schilfbootfan.

 

Die Pyramiden von Güimar findet man natürlich auch im Internet:          http://www.piramidesdeguimar.es/de/

 

 

 

 

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Joachim K. Schmidt

D-13469 Berlin

im April 1999